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Archäologie im Raum Angermund

Steinzeitlicher Stichel

Die ältere ortsgeschichtliche Literatur vermutete, dass Franken ab Mitte des 1. Jahrtausend n. Chr. die ersten Siedler im Raum Angermund waren. In den 1990er Jahren auf Feldfluren am südlichen und westlichen Ortstrand entdeckte steinzeitliche Artefakte beweisen jedoch, dass sich schon vor etwa 11 bis 12000 Jahren Menschen zumindest zeitweilig im heutigen Ortsgebiet aufgehalten haben. Der Lagerplatz aus dem Allerød-Interstadial (eine rund ein Jahrtausend dauende Warmzeit in der Spätphase der letzten Eiszeit) wurde in den 1990er Jahren von Thomas van Lohuizen bei Geländebegehungen entdeckt. Von dem Oberflächenfundplatz wurden mittlerweile rund 1.000 Feuersteinopjekte aufgesammelt.

Durch die Erwärmung kam es in Mitteleuropa zur ersten flächigen Wiederbewaldung am Ende der letzten Eiszeit. Birken- und Kiefernwälder mit Tierbeständen von Rothirsch, Elch, Auerochse, Reh,  Braunbär und Bieber breiteten sich auch im Rheinland aus. Aus den Jägern und Sammler der Lössteppe wurden Jäger und Sammler des Waldes, deren Hauptjagdwaffe nicht mehr die Speerschleuder, sondern Pfeil und Bogen war. Am Niederrhein konzentriert sich die Verbreitung von Fundplätzen der spätsteinzeitlichen Jäger (sogenannte Federmessergruppen) auf die linksrheinichen Auenlandschaften im Umfeld von Niers, Rur und Erft.  Das Fundareal bei Angermund gehört zu den wenigen östlich des Niederrheins gelegenen Fundstellen. Es liegt im Bereich eines schwach ausgeprägten, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Höhenrückens auf der älteren Niederterrasse des Rheins. Im Relief der umgebenden Landschaft lassen sich noch zahlreiche Altmäander des eiszeitlichen Rheins erkennen. Da die Einzelfunde bis 2022 nicht systematisch eingemessen wurden, konnte deren räumliche Verteilung nicht analysiert werden. Auch deshalb wurde die Oberfläche des Fundareals im Spätsommer 2023 erneut von Fachleuten und Helfern systematisch abgesucht. Ca. 150 neue Funde in einer ca. 300 m langen Zone und die in den beiden Jahrzehnten zuvor geborgenen Fragmente von Beilklingen, Messern, Pfeilspitzen und Sticheln aus Feuerstein verweisen auf mehrere kleine Lagerplätze, die späteiszeitliche Jäger und Sammler hier anlegten. Bei der neuerlichen Abkühlung des Klimas zogen diese Jäger und Sammler in mildere Regionen weiter.(1) 

Funde aus der späten Jungsteinzeit im Übergang zur frühen Bronzezeit (etwa 3.300 bis 2.000 v. Chr.) sowie der vorrömischen Eisenzeit (800 bis 15 v. Chr.) belegen, dass sich hier erneut Menschen aufhielten, sie lassen einen "siedlungsgeschichtlichen Aufschwung" erahnen, wie er zur gleichen Zeit auch in den benachbarten Ortsgebieten belegt ist.(2) Ein ungewöhnlicher Fund aus der Eisenzeit (etwa 500 bis 300 v. Chr.) ist das 1993 entdeckte Bruchstück eines Glasarmreifs: ein etwa 3 cm großer Ringkörper aus braunem Glas mit einer Auflage aus einer goldgelben opaken Masse. Das ohne Begleitfunde geborgene Glasstück ist gut erhalten; es weist keine Spuren einer Feuerbestattung auf, durch die eine genauere Datierung möglich wäre. Erst 25 m vom Fundort entfernt wurde eine Bodenscherbe gefunden, die der eisenzeitlichen Latène-Kultur (etwa 450 v. Chr. bis zur Zeit um Christi Geburt) zugeordnet werden kann. Schon 1990 war in direkter Nähe ein sehr anschaulicher Stößel aus grünem Felsgestein entdeckt worden. Zusammen deuten diese drei Fundstücke auf eine keltische Siedlung hin.(3)

Das im Ortsnamen Angermund  enthaltene Grundwort munt - Schirm, Schutz, Gewalt entstammt dem Althochdeutschen, der ältesten schriftlich überlieferten Sprachform des Deutschen, die etwa zwischen 750 und 1050 verwendet wurde.(4)  Der Ortsname hätte demnach die Bedeutung "Schutz an der Anger".  Topographisch betrachtet wäre die Besiedlung wegen des hohen Grundwasserstandes und der durch die Anger und den Rahmer Bach in Regenzeiten ausgelösten Überschwemmungen an einer erhöht liegenden Stelle zu erwarten. Vielleicht wie die aus der letzten Eiszeit stammende Bodenwelle mit einer Höhe von etwa 35 m über Normalnull, die sich über 800 m in Nord-Süd-Richtung auf der Linie der heutigen Rahmer Straße über die Graf-Engelbert-Straße bis zur Kellnerei ausstreckt. Diese nicht mit dem zuvor erwähnten Höhenrücken auf der älteren Niederterrasse des Rheins zu verwechselnde Bodenwelle ist im nördlichen Teil ca. 400 m breit, nach Süden nur noch etwa 200 m. Westlich wird die Bodenwelle von der Anger begrenzt, östlich verläuft eine breite Abflussrinne, in die sich der Rahmer Bach eingegraben hat. Beide Bäche waren ursprünglich miteinander verbunden und wurden erst durch die neuzeitliche Aufschüttung des Mühlendamms südlich der Kellnerei getrennt.(5) Die zungenförmige, halbinselartige Erhebung, die an drei Seiten von Wasser umgeben war, wäre zwar wegen des festen Baugrunds und des natürlichen Schutzes gegen feindliche Übergriffe für eine Siedlung gut geeignet gewesen. Doch für die früher vermutetete Besiedlung in fränkischer Zeit (5. bis 9. Jahrhundert) fehlen archäologische Funde oder sonstige Quellen.

Die erste schriftliche Überlieferung des Ortnamens finden wir erst in staufischer Zeit: in den Gütererwerbungen des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg (1130-1191). Diese sind in drei Fassungen überliefert, deren älteste heute im Landesarchiv NRW, Abteilungen Westfalen, in Münster bewahrt wird. Die münsterische Güterliste ist eine 20,5 cm breite und 69 cm lange Pergamentrolle, in der unter lfd. Nr. 23 das allodium de Angermonde - Freigut zu Angermund genannt wird. In der Paderborner Abschrift der Güterliste lautet die Bezeichnung unter Punkt 49 Castrum Angermunde et curiam adiacentem - Burg Angermund und angrenzendes Rathaus. Der Erzbischof hatte diesen Besitz für einen geringen Betrag von Kaiser Barbarossa erworben.

1189 bestätigte Engelbert II. Graf von Berg, dass er von Arnold von Tyvern dessen Erbgüter zum Pfand erhalten und den Edelherrn auf Schloss Burg als Hausgenossen aufgenommen habe. Zu den genannten Gütern gehörte darüber hinaus jedes Anwesen, das sich in der Nähe des Flusses befindet, der Anger genannt wird. Der entsprechende Satz lautet im lateinischen Original: insuper omne predium, qoud est propre fluvium quid vocatur Anger.(6) Engelbert II. war zugleich als Engelbert I. Erzbischof von Köln. Unter seiner Herrschaft wurde die Burg bis 1222 zu einem mächtigen Bollwerk ausgebaut. Leider wurde die baugeschichtlich überregional bedeutende mittelalterliche Burg kaum archäologisch erforscht. Beim Umbau in eine attraktive Wohnanlage in den 1980er Jahren ging die archäologische Substanz weitgehend verloren, da die Bauarbeiten kaum wissenschaftlich begleitet wurden. Lediglich im Außenbereich des Grabens in der Nähe der Zugangsbrücke fanden einige kleinere Grabungsschnitte statt, die u.a. Überreste von Keramikgeschirr und Baumaterialien zu Tage förderten. Der spektakulärste Fund war die Gravur eines Ritters zu Pferde auf einer Schieferplatte.(7)

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