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Die Anger

Die Anger

Aktueller Pegelstand (am Spaltwerk des BRW in Ratingen-Tiefenbroich)

Der rechtsrheinische, in der letzten Eiszeit (vor mehr als 20.000 Jahren) entstandene Zufluss zum Rhein entspringt im Stadtteich in Wülfrath im Osten und fließt auf einer Länge von ca. 36 km durch den Kreis Mettmann, den Norden Düsseldorfs und den Süden Duisburgs bis zur Mündung in Duisburg-Angerhausen. Im östlichen Verlauf ist die Anger verhältnismäßig stark geneigt. Bei Lintorf trifft sie auf die niederrheinische Niederterrasse und fließt von dort mit geringem Gefälle durch den Kalkumer Forst an Angermund vorbei bis zum Rhein. über die Hälfte des Einzugsgebiets sind landwirtschaftliche Flächen. Im Westen (im alten Amt Angermund bzw. späteren Amt Angerland) ist die Besiedlung sehr dicht.

Entlang der Anger zeugen Burgen, Adelssitze, Rittergüter, Mühlen und Fabriken von einer über 1000jährigen Kulturgeschichte. Von Wülfrath fließt die Anger vorbei an der Vogelmühle ins Angertal. Hier wird der Bach von der mehrfach kreuzenden Angertalbahn begleitet, die seit 1903 den Kalk aus den Wülfrather Steinbrüchen zum Rhein transportiert. Auf Ratinger Gebiet passiert die Anger die Auermühle, die historische Baumwollspinnerei Cromford, den Poensgenpark und das Haus zum Haus. Auf dem Wege von Lintorf nach Angermund durchquert sie die Überangermark, um danach an der Kelllnerei, Haus Bilkrath und Schloss Heltorf vorbeizufließen. Auf Duisburger Stadtgebiet passiert sie die Sandmühle, Haus Böckum, Haus Remberg, um durch den Biegerpark zum letzten ehemaligen Adelssitz, Haus Angerort zu gelangen. In Angerhausen (Duisburg-Wanheim) mündet der Bach in den Rhein.

Im Juli 2012 befuhren nachlanger Zeit Kajakfahrer die Anger zwischen Ratingen-Tiefenbroich und der Mündung. Ihr Weg führte durch die Überanger Mark und Angermund, vorbei an Kellnerei, Angerbenden, Haus Bilkrath und Schloss Heltorf. Viele ungewohnte Blicke auf die Landschaft entlang des gemächlich dahinfließenden Baches: eine wunderbare sommerliche Bootstour. Doch nicht immer war es so idyllisch.

Die Anger war Ende des 19. Jahrhunderts vor allem durch die mehr oder weniger ungeklärten Abwässer der vier damaligen Ratinger Papierfabriken stark verschmutzt. Erste Beschwerden von Angermunder und Huckinger Bürgern über die fortwährende Blaufärbung des Wasser datieren aus dem Jahr 1875, aber ein Einschreiten gegen die Verunreinigung war nach Ansicht des Ratinger Bürgermeisters nicht nötig. Doch die Anwohner der unteren Anger gaben sich damit nicht zufrieden. 1877 beschwerten sich die Gemeinden Angermund, Huckingen und Angerhausen über das Ablassen von schädlichen Substanzen in den Angerbach. Unterstützt wurden sie durch den Fürst von Hatzfeld-Wildenburg, dem als Besitzer der Kellnerei in Angermund die Fischerei-Gerechtsame für große Teile der Anger zustanden. Er sah seine Rechte als entwertet an, weil der Fischbestand stark dezimiert war. Der Ratinger Gewerbeinspektor Dr. Wolff wies nach, dass Ätzkalk, Kalk- und Glaubersalze, Chlorcalcium, natürliche und synthetische Fabrstoffe sowie Faserteilchen das Wasser unappetitlich und ungesund machen können. Die Abwässer der Lumpenkocher flossen direkt in den Bach, die übrigen Abwässer wurden in viel zu kleinen Anlagen nur unzureichend gereinigt. Die Ratinger Papierfabrikanten versprachen zwar in einer Verhandlung am 15.12.1877 die Vergrößerung und Verbesserung der Kläranlagen, doch trotz einiger Investitionen verbesserte sich die Situation nur unwesentlich. Beschwerden der Anwohner wurden 1878 vom Referenten bei der Regierung in Düsseldorf abgeschmettert, mit dem Hinweis, dass in allen an der unteren Anger gelegenen Gemeinden kein Mangel an Brunnenwasser und der Boden so wasserhaltig ist, dass ohne Kosten sich überall Viehtränken einrichten lassen. So vermögen wir in der zeitweisigen Verunreinigung der Anger ... keine Beeinträchtigung des Bedarfs der Umgegend an reinem Wasser zu erblicken. Doch in den nächsten Jahren versiegten zahlreiche Brunnen, da die Bleibergwerke in Lintorf durch starke Pumpen den Grundwasserspiegel in der Umgebung abgesenkt hatten. Im Mai/Juni 1882 grassierte in Angermund eine Typhusepidemie. Vier Menschen starben, Bürgermeister Karl Baasel nahm das zum Anlass, bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen unbefugter Verunreinigung von Gewässer Klage einzureichen. Der Landrat des Kreises Düsseldorf empfahl der Regierung, den Papierfabriken das Ablassen der Schadstoffe unter Strafandrohung zu untersagen. Hatte die Regierung in Düsseldorf bisher immer gebremst, so reagierte sie nach dem Auftreten des Typhus nun doch. Am 19. November 1884 wurden die Bürgermeister vom Ratingen und Eckamp aufgefordert, den Papierfabriken ab 1. Mai 1885 die Einleitungen von sauren, alkalischen, oder Schwefelverbindungen enthaltenden Abwässern zu untersagen. Im Dezember 1885 meldete der Landrat, dass die fraglichen Klärvorrichtungen ... nunmehr vollständig eingerichtet sind und ganz gut funktionieren. Nach zehnjährigen Appellen und Klagen der Anwohner war das Wasser der Anger endlich wieder klar und rein. (1) 

In der Ortslage Angermund trat die Anger im 20. Jahrhundert regelmäßig über die Ufer. Nach der Schneeschmelze und nach lang anhaltenden Regenfällen kam es immer wieder zu schweren Hochwasserschäden, so z.B. 1926, 1942, 1952, 1961, 1980. Teilweise stand Angermund bis zur Rahmer Straße oder bis An den Kämpen unter Wasser. Wolffs Mühle musste dann den Betrieb einstellen, die Keller liefen voll Wasser und viele Häuser waren nur über Planken und schnell zusammengezimmerte Stege erreichbar. Noch in den 1990er und den frühen 2000er Jahren gab es Überflutungen, wenngleich nicht in dem Umfang wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute unterliegt die Anger einem strengen Hochwasserschutz, da sie ohne Regulierungsmaßnahmen immer noch weite Teile der Städte Ratingen, Duisburg und Düsseldorf gefährden könnte. Seit 2009 wurde der Hochwasserschutz in Angermund im Rahmen des bestehenden Hochwasseraktionsplan durch den Bergisch-Rheinischen-Wasserverband deutlich verbessert. In den Jahren 2009 bis 2011 entstand für die Anger zwischen den Angerbenden und der Bahntrasse auf ca. 280 Meter Länge ein neues Bachbett. Der Altarm wurde als Überschwemmungsgebiet gestaltet, er bietet jetzt Vögeln Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten. Die Ufer wurden durch Bepflanzung mit heimischen Gehölzen renaturiert. Zugleich wurde die Hochwassergefahr des in Fließrichtung unterhalb Wolffs Mühle liegenden Abschnitts bis jenseits der Unterquerung Angermunder Straße durch teilweise Verlegung des Bachbetts und Engstellenbeseitigung gesenkt. 2013/2014 und 2020 wurde der Hochwasserschutz oberhalb von Wolffs Mühle in zwei Bauabschnitten auf einer Länge von ca. 500 m verbessert. Im ersten Bauabschnitt wurde das seit langem nicht mehr in Betrieb befindliche Mühlenwehr zurückgebaut, der Sohlenabsturz beseitigt und die Bausubstanz gesichert. Im Sommer 2020 wurden dann die Uferböschungen mit Senksteinen gesichert und die bachbegleitende Verwallung ertüchtigt. Die Anger kann in der Ortslage Angermund auf einer Strecke von gut 1,5 Kilometern mit einer Geschwindigeit von 10 m³/Sek. fließen, ohne über die Ufer zu treten. 

Nach anhaltenden Starkregenfällen trat die Anger in der Nacht vom 14./15. Juli 2021 an mehreren Stellen über die Ufer. Während das Hochwasser an Ahr und Erft über 180 Tote forderte und Sachschäden in Milliardenhöe anrichtete, wurde das Angertal im Bereich Auermühle komplett überflutet; in Ratingen wurden der Poensgenpark und Haus zum Haus durch das Hochwasser schwer in Mitleidenschaft gezogen. Doch an der unteren Anger, bewiesen die Hochwasserschutzmaßnahmen ihre Wirksamkeit. Der Pegel am Spaltbauwerk der Anger in Ratingen-Tiefenbroich stieg zwar binnen Stunden von 42 cm (Normalwasserstand) um über zwei Meter auf 254 cm, doch dank der Ableitung großer Wassermassen in den Entlastungsgraben durch rechtzeitige Öffnung des Seitenwehrs und dank der wasserbaulichen Ertüchtigung in der Ortslage Angermund blieb die Anger in ihrem Bett. Zur Vervollständigung des Schutzes vor einem Hochwasser, wie es statistisch gesehen einmal in 100 Jahren zu erwarten ist (HQ 100), muss auch der letzte Bauabschnitt verwirklicht werden. Dabei soll die Anger im größtenteils unbebauten Gebiet zwischen der Bahntrasse und der Stadtgrenze zu Duisburg zu einer Auen- und Waldlandschaft zurückgebaut und der maximale Wasserdurchlauf auf 13,5 m³/sek. erhöht werden. (2) Seit Herbst 2021 wurden wurden zwischen der Bahnlinie und der Heltorfer Schlossallee Gehölzschnitte und Rodungen zur Schaffung der benötigten Retentionsflächen durchgeführt. Ab Anfang 2023 wird der 4,1 Kilometer lange Bereich der Anger zwischen der Bahnlinie in Angermund und der A524 an der Stadtgrenze zu Duisburg umgebaut. Die Umgestaltung soll auch wieder dem Hochwasserschutz dienen, aber diesmal sind die ökologischen Verbesserungen des Gewässers das Hauptziel der Arbeiten, die rund 7,9 Millionen Euro kosten werden und in sechs Teilabschnitten umgesetzt werden. Geplant ist, die Anger als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu entwickeln. Dafür sollen unter anderem Auen als natürliche Überschwemmungsräume entstehen. Für den naturnahen Umbau wird ein neues Gewässerbett geschaffen, welches parallel zum Fluss gebaut wird und nicht mehr starr und gerade verläuft. Das alte Gewässerbett wird anschließend verfüllt. In einem größeren Umfang muss dann Boden ausgehoben und abgefahren werden. Für diesen Transport werden mehrere temporäre Baustraßen eingerichtet. Die umfangreichsten Arbeiten werden auf Höhe des Hauses Bilkrath durchgeführt, denn dort wird eine Anlage errichtet, mit der Sedimente aus dem Wasser gefiltert werden können. Das soll verhindern, dass der Abfluss des Wassers durch Ablagerungen im Flussbett eingeschränkt wird. Da die dort vorhandene Brücke nicht standsicher genug für die schweren Betriebsfahrzeuge ist, die den gesammelten Sand abfahren sollen, muss eine neue Brücke gebaut werden. Keine Veränderung wiederum wird es im Heltorfer Schlosspark geben, denn die Anlage steht unter Denkmalschutz. Der naturnahe Ausbau der Anger soll später im Süden von Angermund fortgesetzt werden. Allerdings gibt es für diesen Teilabschnitt noch keine Planungen. (3)

Die Anger von der Quelle bis zur Mündung  Ansichten aus sechs Jahrhunderten.

Quellen:
(1) Dr. Klaus Wisotzky: Die Verschmutzung der Anger von 100 Jahren. In: Die Quecke, Ratinger und Angerländer Heimatblätter Nr. 57, Jahrgang 1987.

(2) Wasserrechtlicher Antrag des Bergisch-Rheinischen Wasserverbands: Anger - Sanierungsmaßnahmen in Angermund, Abschnitt 1 von km 4,232 bis km 8,375. (Juni 2019)  

(3) "Die Anger wird nun naturnah umgestaltet"  Rheinische Post, Ausgabe vom 08.11.2022

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