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Seidler

von links: Ernst, Gottfried Gustav, ???, Friedrich Ferdinand (mein Urgroßvater)

Die undatierte und unbezeichnete Aufnahme zeigt meinen Urgroßvater Friedrich "FRITZ" Ferdinand Seidler mit seinen drei Brüdern. Von links: ERNST August (1872-1935), Gottlieb GUSTAV (1861-1930), Name unbekannt, FRIEDRICH Ferdinand Seidler (1870-1940). Das Foto entstand vermutlich Mitte der 1890er Jahre. Im Internet angebotene, datierte Aufnahmen belegen, dass der Fotograf Ferdinand Zaborsky in den 1890er Jahren sein Atelier auf der Grabenstraße 5 im Essener Stadtteil Stoppenberg betrieb.

Die Eltern der Brüder waren Christoph Seidler (*1832 Lenimmen) und Ernestine Sketsch (*1825 Neu-Beynuhnen), die am 9. April 1860 in Trempen heirateten. Im Kirchenbuch der evangelischen Gemeinde heißt es über die Brautleute Junggesell Christoph Seidler, 27 Jahre, Kämmerer in Sorgenfrei, 3. Sohn des Gärtners Kristoph Seidler und dessen Ehefrau Barbara Rimkus, ev." und "Ernestine Sketch, 32 Jahre, von Sorgenfrei, 2. Tochter des Altsitzers Carl Sketsch in Groß Beynuhnen, ev.  (Anmerkungen) Christoph und seine fast 6 1/2 Jahre ältere Frau Ernestine ließen auch ihre zwischen 1861 und 1872 geborenen Söhne in Trempen taufen. Das Kirchdorf im Kreis Darkehmen, Regierungsbezirk Gumbinnen in der preußischen Provinz Ostpreußen zählte zu jener Zeit nur knapp 400 Einwohner. Trempen war aber ein weitflächiges Kirchspiel, zu dem auch Abscherningken gehörte, wo mein Urgroßvater am 2. Februar 1870 geboren wurde. Als er drei Tage später in Trempen getauft wurde, vermerkte der Pfarrer im Kirchenbuch als Eltern des Täuflings Christoph Seidler, Gärtner in Abscherningken, und Ernestine geb. Sketsch. Glücklicherweise beschaffte mein Vater 1942 vom Ev. Pfarramt in Trempen die entsprechenden Kirchenbuchauszüge, denn die Kirche wurde im 2. Welkrieg zerstört und die Kirchenbücher der Gemeinde sind seitdem verschollen. Trempen wurde erstmals 1510 urkundlich erwähnt. Das Dorf hatte ab ca. 1550 eine eigene Kirche und gehörte damit zu den ältesten Kirchdörfern östlich von Insterburg. Vor dem Beginn des 2. Welrkrieges hatte Trempen 871 Einwohnwer; 1945 wurde das Dorf von der Roten Armee besetzt. Heute heißt Trempen Nowostrojewo (russisch Новостроево) und gehört zur russischen Oblast Kainingrad im Rajon Osjorsk.
jAlbum: Ansichten von Trempen

Die berühmteste Einwohnerin von Trempen war die Pfarrerstochter Anna Neander (*1615 oder 1619 in Tharau; † 28. September 1689 in Insterburg). Als sie im Dezember 1636 Johannes Portatius, den Pfarrer in Trempen, heiratete, widmete ihr der Dichter Simon Dach (1605-1659) sein aus 17 Strophen bestehendes Gedicht "Ännchen von Tharau", das in Friedrich Silchers Vertonung von 1827 zu den schönsten romantischen deutschen Volksliedern gehört.
YouTube: Jonas Kaufmann singt "Ännchen von Tharau"

Nach der Familienüberlieferung wollten Christoph und Ernestine Seidler mit ihren Söhnen in den 1870ern oder anfangs der 1880er Jahre nach Brasilien auswandern. Vermutlich war der Hintergrund für diese Überlegungen die Not in Ostpreußen nach den Mißernten 1867/68. Die Familie gab den Emigrationsplan aber aus unbekannten Gründen auf. Statt dessen verließ sie Ostpreußen Richtung Westen, wo sie hofften, von der Industriealisierung des Ruhrgebiets auch selbst profitieren zu können. Christophs Familie siedelte sich im schnell wachsenden Essen an. Der bislang älteste Beleg für den Umzug nach Essen ist der Eintritt des Sohnes Gottlieb GUSTAV in die Firma Krupp im Jahr 1884. Mein Urgroßvater diente zunächst als Soldat in Thionville/Lothringen, kehrte 1893 nach Essen zurück und zog 1897 nach Düsseldorf. Ernst August wurde in Borbeck Schumacher und wanderte 1904 doch noch über Hamburg nach Brasilien aus; er starb 1935 unverheiratet in Porto Alegre. 

Christoph ist 1902 im Adressbuch von Borbeck als "Seidler, Christoph, o.G. [ohne Gewerbe], Friedenstraße 17" verzeichnet. Ernestine starb am 15. Oktober 1902 im Provinzial-Krankenhaus in Grafenberg (heute LVR-Klinikum Düsseldorf). Sie wird in der Sterbeurkunde 101/1902 des StA Gerresheim als Ernestine Seidler, geborene Sketsch, Ehefrau des Invaliden Christoph Seidler, zu Borbeck wohnhaft bezeichnet. Ihr Mann starb am 8. März 1905. Die Sterbeurkunde des StA Borbeck 223/1905 bezeichnet ihn als Christian Seidler, verstorben im Alter von 73 Jahren, wohnhaft in Borbeck Friedenstraße No. 17, geboren zu Lenkimmen, Kreis Darkehmen, Witwer, Sohn des verstorbenen Gärtners Friedrich Seidler, zuletzt wohnhaft in Abscherningken, Kreis Darkehmen. Die Sterbeurkunde wurde nicht aufgrund der Anzeige eines Angehörigen, sondern aufgrund einer amtlichen Mitteilung des Krankenhauses Philippusstift ausgestellt. Das erklärt, warum die Vornamen des Verstorbenen und seines Vaters falsch angegeben wurden. Die übrigen in der Sterbeurkunde enthaltenen Information - das Alter, die letzte Adresse, der Geburtsort Lenkimmen, der Familienstand und die Berufsangabe für den Vater (Kristoph nicht Friedrich) - lassen keinen Zweifel daran, dass der Verstorbene Christoph Seidler war.

Insgesamt habe ich nur wenige Informationen zu meinen ostpreußischen Vorfahren. Gleichwohl verfüge ich über Hunderte von Datensätzen zu Personen namens Seidler. Genealogen, die zu diesem Namen in Ostpreußen und Essen forschen, sind deshalb herzlich eingeladen, mit mir Kontakt aufzunehmen. Meine Daten beruhen neben den von meinem Vater 1942 beschafften Quellen auf der vergeblichen Suche nach Verbindungen zwischen den eigenen Vorfahren und den zahreichen anderen Essener Namensträgern, die zum großen Teil ebenfalls aus Ostpreußen stammten. Auch meine Nachforschungen in der Suchkartei des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen in den 1980er Jahren und die seit 2003 regelmäßig durchgeführten Sichtungen in den Online-Datenbanken der Mormonen blieben erfolglos. Dagegen gelang es schon 1985 Daten zu den Eltern von Ernestine Sketsch in den Kirchenbüchern der Ev. Gemeinde Dombrowken zu ermitteln. Der Familienforscher Andreas Grunwald in Falkensee steuerte 2017 und 2019 weitere wertvolle Informationen zur Familie Sketsch bei.

Anmerkungen:
(1) Der Kämmerer trat auf ostpreußischen Gutshöfen und Vorwerken im 19. Jahrhundert als Vertrauensperson an die Stelle des Hofmanns. Der Kämmerer führte die Aufsicht, vor allem stellte er das Scharwerksvolk an [das sind die hörigen Bauern, die für eine festgelegte Zahl von Tagen für den Grundherrn Hand- und Spanndienste leisten müssen]. Der Kämmerer war also so etwas wie ein landwirtschaftlicher Betriebsleiter.
(2) Gärtner nannte man in Ostpreußen einen Gutstagelöhner, dem Haus und Gartenland zur Eigenbewirtschaftung zur Verfügung gestellt wurde.
(3) Als Altsitzer bezeichnet man in der Regel einen Hofbesitzer oder Bauern, der seinen Hof an die nächste Generation – oft den ältesten Sohn – übergeben hatte und dafür das Recht erhielt, bis an sein Lebensende auf dem Hof zu wohnen und von diesem versorgt zu werden.

letzte Aktualisierung: 12.12.2024

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